
Interkulturelle Kompetenz für PR-Berater – in vier Schritten zur erfolgreichen Zusammenarbeit mit ausländischen Kunden
Muttersprache. Die Sprache, die uns in die Wiege gelegt wurde. Am heutigen Tag der Muttersprache feiern wir sie. Aber warum? Sie ist eine kulturelle Errungenschaft des Menschen, prägt seine Identität und befähigt ihn, mit Seinesgleichen zu kommunizieren. Neben der Sprache selbst werden beim Erlernen auch die Normen und Werte einer Sprachgemeinschaft übermittelt.
Interkulturelle Kommunikation: Links = Nordöstlich
Sogar die Wahrnehmung von Farbe oder räumliches Denken werden durch Sprache beeinflusst. So gibt es beispielsweise einen Aborigine-Stamm, der statt links, rechts, vorne oder hinten die Himmelsrichtungen als Orientierungssystem verwendet. Wenn Sie es gewohnt sind, mit dem südlichen Bein aus dem Bett zu steigen und die zweitnördliche Straßenecke nach Osten abzubiegen, verfügen Sie mit Sicherheit über ein besseres Orientierungsvermögen als ich. Auch wenn wir Fremdsprachen erlernen und durch diese neue Sprache viel über die betreffende Kultur erfahren – unsere Muttersprache bleibt das System, durch dessen Augen wir die Welt betrachten.

Und jetzt treffen wir mit einem Menschen zusammen, mit dem wir in einer Fremdsprache kommunizieren sollen. Spannender noch: Was, wenn das auch für ihn eine Fremdsprache ist? Am spannendsten: Was, wenn es nicht darum geht, im Urlaub in Panama bei einem finnisch-sprachigen Work and Traveller den Teller Curry auf Spanisch in der richtigen Schärfe zu bestellen, sondern wenn es um die Evaluierung von Key Performance Indicators geht?
Interkulturelle Kompetenz von PR-Beratern
PR-Berater sind diejenigen, die in der geschäftlichen interkulturellen Kommunikation primär in der Bringschuld sind. Schließlich sind sie der Dienstleister und der Kommunikationsexperte. Doch wie
stellt man sich darauf ein, mit jemandem zusammenarbeiten, dessen Sprache man nicht spricht und dessen Wertesystem man nicht kennt?
Regel Nr. 1: Nichts als gegeben voraussetzen. Unsere Vorstellungen, Vorgehensweisen und Erwartungen decken sich höchstwahrscheinlich nicht mit denen des Kunden.
Dieses Bewusstsein sollte uns bei jeder Interaktion mit ihm begleiten. Wir Deutsche üben uns gerne in Bescheidenheit und vermeiden Superlative in Pressetexten. Wir planen gerne minutiös. Wir
achten hierarchische Strukturen. Wir kommunizieren gerne schriftlich, weil das Vereinbarte gleichzeitig festgehalten werden kann. Kein Italiener würde sich mit all diesen Aussagen
identifizieren.
Regel Nr. 2: Kommunizieren. Wer sich selbst als Kommunikationsberater betrachtet, sollte seiner Berufsbezeichnung Ehre erweisen und viel und offen mit dem Kunden
kommunizieren. Gerade in der Anfangsphase gilt es herauszufinden, welche Vorstellungen er hat. Wie definiert er eine gute Zusammenarbeit? Wie definiert er seine und damit die Ziele der Agentur?
Was hofft er zu erreichen und bis zu welchem Grad kann ihm die Agentur dabei wirklich helfen?
Regel Nr. 3: Staunen, nicht wundern. Diesen Rat gab mir einmal mein Kollege David. Wenn der Taiwaner versucht, die überschwängliche Art des Amerikaners zu kopieren und anlässlich
seiner Zusammenarbeit mit einem namhaften Hersteller von „Ekstase“ spricht. Oder der Russe sich für Ihre Agentur entscheidet, weil „ihr die hübschesten Mädchen habt“. Staunen aber nicht wundern
bedeutet vor allem, nicht zu verurteilen, nur weil der Andere nicht tickt wie ein Deutscher.
Regel Nr. 4: Fingerspitzengefühl einsetzen und zur Not erst entwickeln. Der Kunde hat eine deutsche PR-Agentur unter Vertrag genommen, weil er sich sicher und
erfolgreich im deutschen Markt bewegen möchte. Seine Berater sollten ihn über die Gepflogenheiten in deutschen Redaktionen und den hiesigen Leser aufklären – aber mit Feingefühl und Geduld. Die
meisten Kunden lassen sich langfristig davon überzeugen, der Agentur soweit das Ruder zu überlassen, dass sie ihren Auftrag erfolgreich erledigen kann.
Klingt alles ganz einfach? Ist es nicht. Interkulturelle Kompetenz ist ein Soft Skill, das gar nicht so soft ist. Deshalb wird Interkulturelle
Kommunikation als Studiengang von München bis Bonn angeboten. Für die Grundlagen und das Einüben interkultureller Kompetenz bietet beispielsweise die Akademie des Deutschen Akademischen Austauschdienstes Seminare
und Workshops an. Denn so toll unsere eigene Muttersprache ist – erst wenn wir lernen mit Menschen anderer Muttersprache erfolgreich zu kommunizieren, finden wir auch zu ihnen einen guten Zugang.
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