
Helfen Gesetze gegen Hassreden und Fake News im Internet? Oder braucht es anstelle von Zensur nicht vielmehr ein Bewusstsein für die richtige Nutzung von digitalen
Inhalten?
Bei den Schlagworten „Zensur“ und „Internet“ denken die meisten spontan an China. Die dortige Regierung lebt von der gezielten Desinformation der Bevölkerung. Traurig, nicht wahr? Wie gut, dass es bei uns keine Zensur gibt und wir dank der im Grundgesetz festgelegten Meinungs- und Pressefreiheit .... halt, Moment.
Der Chaos Computer Club listet einige bereits erfolgte Fälle von Zensur im Internet in Deutschland auf. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ändert einiges. Vordergründig soll das Gesetz vor allem eines tun: Betreibern sozialer Netzwerke in Form von horrenden Bußgeldern Anreize liefern, gegen Hassrede und Fake News vorzugehen.
Hassrede gefährdet die Demokratie
Volksverhetzung ist in Deutschland strafbar, weil sie das Zeug dazu hat, Grundwerte der Demokratie in Gefahr zu bringen. Volksverhetzung ist relativ leicht erkennbar. Sie unterscheidet sich vom gesetzlich gesicherten Recht, seine Meinung kundtun zu dürfen, dadurch, dass sie bestimmte Personen oder Personengruppen herabzusetzen und zu verunglimpfen versucht. Im schlimmsten Fall ruft sie zu Gewalt und Willkür gegen diese Personen auf.
Das geplante Netzwerkdurchsetzungsgesetz fordert von den Betreibern der sozialen Netzwerke wie Facebook und Twitter, dass sie solche Posts und volksverhetzende Kommentare auf Posts unterbinden,
sprich löschen. Eine Hassrede, die ich in der Fußgängerzone vor dem Karstadt nicht ungestraft von mir geben darf, soll auch im Internet unterbunden werden. Ob die Betreiber der sozialen Netzwerke
aber wirklich diejenigen sein sollten, die gleichzeitig die Rolle des Klägers, Richters und Vollstreckers innehaben, bleibt zu Recht ein hart diskutierter Punkt.
Fake News gefährden die Demokratie nicht
Den Fake News soll es an den Kragen gehen, weil sie im Verruf stehen, die Meinung von Bürgern auf Basis gezielter Fehlinformationen zu bilden. Medien, selbst nicht immer vor „alternativen Fakten“
gefeit, schreiben auch gerne über erfolgreiche Beispiele: „7 der 10 erfolgreichsten Artikel über Angela Merkel auf Facebook sind Fake News.“ Das sind Clickbaits, die dazu führen können, dass
deutsche Bürger ihr Recht auf Informations- und Meinungsfreiheit bereitwillig einschränken lassen, weil sie sich dann besser geschützt fühlen.
Der erste Fall von gezielter Fehlinformation, mit dem ich konfrontiert wurde, stammte von meiner Schwester. Sie erklärte mir, dass der CD-Player kaputt geht, wenn man die CD im Gerät lässt und es
abschaltet. Also gewöhnte ich mir an, CDs nach dem Anhören in ihre Hülle zurückzulegen und ins Regal zu räumen. Meine Schwester hatte die gewünschte Ordnung in ihrer Sammlung. Zu meiner
Verteidigung: Ich hatte keinen Grund, die Weisheit meiner großen Schwester anzuzweifeln. Und wir hatten kein Internet zuhause.
Informationsfreiheit heißt auch Recherchepflicht
Das ist heute anders. Jeder Empfänger von News, Fake News, Meinungen und Memes ist mit wenig Aufwand in der Lage, den Wahrheitsgehalt des Gelesenen zu überprüfen. Der Bürger, der tausendfach
weitergeteilte Informationen aus unbekannter Quelle unreflektiert weiterverbreitet, braucht kein Gesetz, das ihn vor solchen News schützt. Er braucht das Bewusstsein dafür, dass er Teil des
Problems ist und die Disziplin, das zu ändern.
Es wäre wesentlich sinnvoller wenn wir die Art, wie wir Informationen aufnehmen und verbreiten, ändern, als uns durch Gesetze, die das Potential haben, unsere demokratischen Grundwerte angreifen
zu können, einschränken zu lassen.
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