
Mit seinen Kampagnen stellte Edward Bernays die PR auf den Kopf. Um Produkte zu verkaufen, verdrehte er gesellschaftliche Konventionen und änderte Meinungen. Und führte damit die PR ins 20. Jahrhundert.
Er war der Star der PR-Branche in den 20er Jahren. Er wird der Vater der modernen PR und Übervater der heutigen Spin-Doctors genannt. Obwohl er das 20. Jahrhundert maßgeblich prägte und
beeinflusste, ist er außerhalb der PR-Branche kaum bekannt: Edward L. Bernays, geboren 1891 in Wien und aufgewachsen in den USA, ein Neffe von Sigmund Freud.
Anfang des 20. Jahrhunderts beschränkte sich Werbung auf das Anpreisen funktionaler Produkteigenschaften oder das Schlechtreden der Konkurrenz. Denn Konsum, so wie wir ihn heute kennen, gab es
noch nicht. Gekauft wurde nur das, was gebraucht wurde. Doch mit fortschreitender Industrialisierung überschwemmten massenweise Waren den Markt. Der Wettbewerb zwischen den Unternehmen
verschärfte sich zunehmend, so dass neue Werbemaßnahmen notwendig wurden, um sich vom wachsenden Mitbewerb abzuheben.
... und dann kam Edward Bernays
In dieser Zeit des Umbruchs schossen überall in den USA PR-Büros aus dem Boden und einer ihrer Stars war Edward Bernays. Wie hatte er das geschafft?
Seit 1913 als Presseagent in New York tätig, erwies sich der Mitstreiter des „Committee on Public Information“ 1917 als geschickter Propagandist und
politischer PR-Stratege, welcher der amerikanischen Öffentlichkeit mit dem Slogan „Make the world safe for democray“ erfolgreich die Einmischung Amerikas in den Ersten Weltkrieg schmackhaft
machte.
Wie man die Massen beeinflusst
Aus seiner Arbeit beim Komitee schlussfolgerte der Neffe von Sigmund Freud und eifrige Leser von dessen Schriften, dass die Beeinflussung und Manipulation der Massen auch zu Friedenszeiten
möglich sein müsste. Seine Methode: Werbung auf Umwegen. Er schuf Ereignisse, über die die Medien berichteten. Die Nachrichten wiederum sollten beim Leser den Bedarf nach einem bestimmten Produkt
wecken. So veränderte er erfolgreich Verhaltensweisen und Meinungen, um die Produkte seiner Auftraggeber auf dem großen Warenmarkt attraktiv zu machen.
Am bekanntesten ist wohl seine Kampagne „Torches of Freedom“, die er für die amerikanische Tabakindustrie entwickelte und die unter PR- und Marketingfachleuten heute als ein Meilenstein auf dem Weg in ein neues Werbezeitalter gilt. Die gesellschaftlichen Konventionen und
Gesetze im USA der 20er Jahre verboten es Frauen, öffentlich zu rauchen. Damit räumte Bernays auf und machte in der Öffentlichkeit rauchende Frauen kurzerhand gesellschaftsfähig.
Dazu engagierte Bernays mehrere Frauen, die während der traditionellen Osterparade in New York 1929 vor aller Augen Zigaretten rauchen sollten. Unter den Presseleuten hatte er indes folgende
Information gestreut: Eine Gruppe Feministinnen würde auf der Parade die „Fackeln der Freiheit“ entzünden. Die Presse war da und verfolgte den Tabubruch live. Natürlich war der Skandal am
folgenden Tag in allen Zeitungen zu lesen. Das Ereignis änderte gesellschaftliche Konventionen: Zigaretten galten von da an als Symbol der emanzipierten Frau. Und die Tabakindustrie? Sie hatte
eine große neue Zielgruppe erschlossen und macht ein Mordsgeschäft.
Der Vater der modernen PR
Nach diesem Schema entwickelte Bernays PR-Kampagnen für unterschiedlichste Auftraggeber. Für einen Schinkenhersteller mit sinkenden Absatzzahlen
etablierte er unter anderem das American Breakfast mit „Bacon and Eggs“ oder machte einen als langweilig geltenden Präsidentschaftskandidaten zur interessanten Persönlichkeit. Um Produkte zu
verkaufen oder Personen populär zu machen, änderte er Weltanschauungen und verdrehte Konventionen. Mit seinen zahlreichen PR-Kampagnen modernisierte Bernays die PR-Branche und förderte eine
Konsumkultur der Emotionen, in der die Menschen das kaufen, was ihnen ein gutes Gefühl gibt. 1995 starb der erfolgreiche Meinungsmacher und Propagandist der modernen PR im Alter von 103
Jahren.
Die Art und Weise, wie er die Menschen manipulierte, hat mit unserer faktisch orientierten Pressearbeit von Heute recht wenig zu tun. Wir leben in einer anderen Welt und mit einer sehr
aufgeklärten Leserschaft. Die Strategien, die er einsetzte, um Aufmerksamkeit für die Sache seiner Auftraggeber zu erregen, waren aber sehr effektiv und können auch heute noch für PR und
Marketing, vor allem aber für den Lobbyismus, eine Inspiration sein.
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