
Teilen bringt man schon den Kleinsten bei. Es sei wichtig, heißt es. Warum fällt uns Deutschen dann Carsharing immer noch so schwer?
Isch ´ abe gar kein Auto … Können Sie sich noch an den Satz erinnern? Er stammt aus einem Werbeklassiker für löslichen Kaffee aus den 1990-Jahren. Gab es damals eigentlich schon so viel Autos wie heute? Vor allem solche, die mehr fahrendes Wohnzimmer denn Fortbewegungsmittel sind? Ich glaube nicht. Eines weiß ich: Ich hatte 1993 kein Auto und heute auch nicht. Damit gehöre ich zu einer Minderheit. Wenn in Gesprächen das Thema auf das Lieblingsspielzeug aller Deutschen kommt, werde ich meist ungläubig angeschaut: Wie? Du hast gar kein Auto? Nein. Mein Mann im Übrigen auch nicht.
Und wie macht ihr das dann? Das ist dann meist die nächste Frage, die auf dem Fuße folgt. Eines ist klar. Auf jeden Fall nicht so wie unsere Nachbarn.
Letztens arbeitete ich im Home-Office. Dabei konnte ich dem beliebten Auto-Wechsel-Dich-Spiel zuschauen: Unsere Nachbarn – Ehepaar mittleren Alters, Kinder aus dem Haus – besitzen vier Autos. Zwei Kleinwagen, einen Kombi und einen Campingbus – o. k., der kommt nur jetzt im Sommer zum Einsatz, ist aber dennoch ein Auto. Ein Sohn wohnt mit seiner Familie unmittelbar daneben. Er und seine Frau besitzen ebenfalls zwei Autos. Das Spiel geht so: Es gibt eine Doppelgarage und eine Einzelgarage – diese wird jedoch nicht benutzt. Ziel ist es die Autos so zwischen Straße und Garage hin- und her zu parken, dass – ja was eigentlich?
In solchen Momenten frage ich mich, warum vier Menschen soviel Blech besitzen. Und ob das wirklich nötig ist.
Um die Frage von vorhin zu beantworten: Wir machen Carsharing. Und zwar nicht erst seitdem es „in“ ist.
Carsharing meint die organisierte gemeinschaftliche Nutzung eines oder mehrerer Automobile auf Basis eines Rahmenvertrags. Das praktische:Das Angebot lässt sich kurzfristig, sogar minutenweise nutzen. Und man spart einen Haufen Geld.
Ich glaube sehr wohl, dass es viele Regionen gibt, wo das Leben ohne Auto schwieriger umsetzbar ist als bei uns in der Großstadt. Wir in Augsburg aber haben eine (einigermaßen) funktionierende Infrastruktur mit Bussen, Straßenbahnen und verschiedenen Carsharing-Angeboten. Und wäre die Stadt nicht so vollgestopft mit Kraftfahrzeugen, wäre es auch angenehmer mit dem Fahrrad von A nach B zu gelangen.
Mag man schon nicht ganz auf sein eigenes Auto verzichten, kann man es ja zumindest anderen zur Verfügung stellen, wenn man es gerade nicht braucht. Dafür gibt es Plattformen wie drivy oder SnappCar. Hier kann man mit wenigen Klicks autolose Menschen für ein paar Stunden oder Tagemotorisieren – und dabei sogar noch ein bisschen etwas verdienen.
Zwar sind mittlerweile 2,1 Millionen Menschen in Deutschland bei 165 Car-Sharing-Anbietern registriert, dennoch ist die Zahl der Autos insgesamt mit 45 Millionen immer noch absurd hoch. Zudem fahren täglich rund 160 Millionen leere Autositze durch Deutschland. Werktags sind Autos durchschnittlich mit nur 1,1 Personen besetzt.
Ich wundere mich darüber längst nicht mehr. Denn ich muss mich nur bei uns in der Straße umschauen. Dort beginnt jeden Tag aufs Neue das lustige „Wo-parke-ich-mein-Auto-heute-Spiel“.
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