
Die Klimakrise macht keine Pause. Auch wenn Corona den Himmel blauer, die Luft reiner und das Wasser sauberer macht. Aus der Corona-Krise kann man lernen. Der Umwelttag heute gibt Anlass dazu.
Die Corona-Pandemie hält der Welt den Spiegel vor. Die Krise zeigt Missstände auf, die längst bekannt waren, man aber lieber unter den Teppich kehrte. Etwa dass systemrelevante Berufe mitunter die schlechtbezahltesten und größtenteils von Frauen besetzt sind. Oder dass Fleisch hierzulande unter miesesten Bedingungen für Mensch und Tier hergestellt wird. Die Liste ließe sich beliebig weiterführen.
Positiv denken
Die Krise zeigt aber auch Gutes auf und macht Hoffnung: Wie schnell sich die Umwelt regeneriert, wenn der Mensch ihr eine Pause gönnt. Dass Meetings auch online funktionieren und Menschen dafür nicht von München nach Berlin oder Tokyo fliegen müssen. Dass Menschen die Hygienepflicht ernst nehmen und auf Abstand gehen, wenn es die Not so erfordert.
Das ist die Chance
Da fragt man sich, warum sich nicht eine Art Umweltpflicht umsetzen lässt, für die noch viel bedrohlichere Klimakrise. Dass Politik und Gesellschaft bei Corona auf die Wissenschaft hören, aber bei Klimafragen weit weniger oder gar nicht, erklärt Klimaforscher Stefan Rahmstorf so: Einerseits werden Millionenbeträge ausgegeben, um die Klimawissenschaft anzuzweifeln und Klimawissenschaftler zu diskreditieren. Andererseits müssen Politiker bei der Corona-Krise die Folgen unmittelbar in ihrer Amtszeit fürchten, während die wirklich verheerenden der Klimakrise erst später eintreten werden. Beiden Krisen ist eines gemeinsam: Das System reagiert zeitverzögert. Beide Krisen erfordern aber, sofort zu handeln. Manche Politiker tun es.
Vorfahrt für Fahrradfahrer
Brüssels Bürgermeister zum Beispiel. Er hat quasi über Nacht die Verkehrshierarchie in Belgiens Hauptstadt umgedreht. Gerade hier, wo vorher alle Macht den Autos galt. Seit dem 11. Mai ist das Zentrum verkehrsberuhigte Zone, Fußgänger und Radfahrer haben Vorrang und können die komplette Fahrbahn nutzen. Busse und Autos dürfen maximal 20 Stundenkilometer fahren. Damit lassen sich die Corona-Abstandsregeln in den teils sehr engen Straßen einfacher einhalten. Nach der Testphase könnten sie zum Dauerzustand werden, auch ohne Corona.
Solarpflicht jetzt
Mit gutem Beispiel geht auch die Koalition in Baden-Württemberg voran: Sie hat sich auf die Novelle des Klimaschutzgesetzes geeinigt, das Gesetz soll noch vor der Sommerpause vom Landtag beschlossen werden. Zentraler Punkt ist die Einführung einer Solarpflicht für neue Nichtwohngebäude. Zukünftig werden also Lager- und Produktionshallen, Parkhäuser und Bürogebäude nur noch mit Solaranlagen gebaut. Und das soll nur der Einstieg sein in eine allgemeine Photovoltaikpflicht. Mehr saubere Energie macht auch die längst überfällige Entscheidung der Regierungskoalition möglich, den Solardeckel in Deutschland abzuschaffen.
Unsere Welt neu denken
So lautet der Titel von Maja Göpels Besteller, der viel weiter geht: Die Autorin rechnet radikal mit unserer Wirtschaftsweise ab und fordert die Abkehr vom Wachstumszwang. Die Politik dürfe Nachhaltigkeit nicht länger als bloßes Nebenprodukt einer klassischen Wachstumsagenda behandeln, sondern müsse direkte Anreize für nachhaltiges Konsumieren, Produzieren und Investieren liefern. Ähnliches fordert Politologe Christian Felber mit seinem Konzept der Gemeinwohl-Ökonomie, um die Welt nicht nur ein bisschen besser zu machen als sie aktuell ist, sondern richtig gut.
Wie erstaunlich handlungsfähig die Politik sein kann, erleben wir aktuell und es zeigt: Wenn wir es wollen, können wir eine Krise unter Kontrolle bringen. Corona hat den stärksten Rückgang der CO2-Emissionen seit dem Zweiten Weltkrieg bewirkt. Auch das zeigt, was möglich ist. Die Politik sollte den Klimaschutz bei der Wiederbelebung der Wirtschaft nach Covid-19 zu einem wichtigen Ziel machen. Möglichkeiten dazu gibt es viele. Das ist die Chance!

Andrea Schneider macht seit vielen Jahren PR für ein Unternehmen in der Solarbranche und setzt sich auch persönlich mit Umweltfragen auseinander. Deshalb fragt sie sich, warum nicht viel mehr für das Klima getan wird. Warum zum Beispiel koppelt die Regierung den Einstieg bei Lufthansa nicht mit dem Verbot von innerdeutschen Kurzstreckenflügen? Und weil Andrea täglich mit dem Rad zur Agentur fährt, wünscht sie sich für ihre Heimatstadt Augsburg ein Verkehrskonzept wie das in Brüssel!